Mittwoch, 2. September 2015

Call for Papers: Dimensionen der Moral im Spiel

Vertraut man Artikeln der einschlägigen Fachpresse und Kommentaren ihrer Leser, dann haben Computerspiele zunehmend den Anspruch, als Kunst wahrgenommen zu werden. Dafür sorgen nicht nur immer realistischere Darstellungsformen, sondern auch vielschichtigere Handlungen und komplexere Spielmechaniken. Gleichzeitig bleibt das Spiel ein Konstrukt im Als-ob, das nur einen diffusen Übergang zu der Realität hat, die wir als Wirklichkeit wahrnehmen. Auf beiden Ebenen stehen zunehmend Themen und Entscheidungen im Fokus, die alltagssprachlich und eher undifferenziert oft synonym mit den Begriffen „moralisch“ oder „ethisch“ belegt werden. Was aber meint es, wenn man behauptet, man müsse in einem Spiel moralische oder ethische Entscheidungen treffen, oder wenn man beklagt, ein Spiel würde solche Entscheidungen nicht erlauben? Gibt es eine Moral im Spiel? Oder ist gar eine Ethik des Spielens gefordert? Und wenn ja, welche Formen nimmt sie an? Dies sind, kurzgefasst, einige Fragen, die auf der HiStories III – der nunmehr 3. Interdisziplinären Tagung zu Computerspielen an der Universität Rostock – diskutiert werden sollen.
Zunächst stellt sich die Frage, ob Moral in Spielen überhaupt existiert oder ob Spiele amoralische Räume sind. Nur wenige, keinesfalls erschöpfende, Beispiele sollen die Frage verdeutlichen:
  • Ist es eine moralische Entscheidung, wenn man sich im Bürgerkrieg in The Elder Scrolls: Skyrim für das Kaiserreich oder die klar nationalistisch eingestellten Rebellen entscheidet?
  • Darf ich in Star-Wars-Abenteuern ohne Gewissensbisse die dunkle Seite der Macht wählen?
  • Ist es ethisch bedenklich, wenn ich den Sim-Mann eine Karriere als Astronaut anstreben lasse, während seine Sim-Frau leichtbekleidet für den Haushalt sorgt? 
  • Ist es angesichts des ohnehin hohen „body counts“ innerhalb der Grand Theft Auto (GTA)-Serie trotzdem besonders unmoralisch (wie in Medienberichten skandalträchtig thematisiert), wenn man im fünften Teil der Serie aktiv einen Mann foltert – und ist dann die Spielfigur unmoralisch, der Hersteller des Spiels oder der Spieler, der die Szene spielt, um das Spiel nicht vorzeitig zu beenden?
  • Welche Rolle nehmen Spiele mit historischem, oft kriegerischem Hintergrund ein? Spielt Moral eine Rolle, wenn man als Kommandant eines U-Bootes, als Panzerbesatzung oder als General versucht, im 2. Weltkrieg die Gegner zu besiegen – und dann vielleicht noch als Deutscher?
  • Sind Kriegsspiele oder Egoshooter überhaupt moralisch zulässig, wenn sie eine nachweisbare Begeisterung – und damit außerspielerische Wirkung – bei ihren Spielern auslösen? Und was unterscheidet diese Spiele grundlegend von Schach oder Halma?
  • Falls Spiele amoralisch sind, gibt es dennoch eine Ethik des Spielens, die es uns aus guten Gründen gebietet, bestimmte Spiele weniger zu spielen als andere?
  • Haben Spielhersteller und -programmierer eine Berufsethik, die ihnen bestimmte Geschichten, Inhalte und Handlungen verbietet?
  • Und schließlich: Hat es mit Moral zu tun, wenn spielmechanische Elemente so bezeichnet werden, z.B. die „Einheitenmoral“ in Strategiespielen wie Europa Universalis?

Nimmt man nun an, dass es Moral in Spielen gibt oder dass es sie zumindest geben könnte, ist die Frage, wie sie konkret ausgestaltet ist oder auszugestalten wäre. Erhalten Spiele ethische Dimensionen oder werden sie ethische Agenten? Welche spielmechanischen und erzählerischen Mittel können genutzt werden, um moralische Themen und Entscheidungen zu implementieren? Und inwieweit unterscheiden sie sich von Mitteln, die in Literatur und Film seit langer Zeit verwendet werden? Können Spiele hier einen genuin neuen Beitrag leisten? Es wird beispielsweise behauptet, die Folterszene in GTA 5 schaffe es durch ihre Direktheit, den Spielern viel deutlicher zu vermitteln, was Folter eigentlich bedeutet und warum sie abzulehnen sei – wenn das so ist, warum ist das so? Lässt sich schließlich aus einer Moral im Spiel eine didaktische Ableitung für den Philosophie- und Ethikunterricht oder gar für die Pädagogik eines mündigen Bürgers erkennen?


Wir laden Sie herzlich ein, sich mit eigenen Beiträgen an der skizzierten Diskussion zu beteiligen. Wie stets wünschen wir uns eine möglichst interdisziplinäre Runde und freuen uns über Teilnehmerinnen und Teilnehmer etwa aus der Philosophie, Geschichte, den Philologien, der Kommunikationswissenschaft oder der Soziologie. Auch Spielhersteller und -programmier sind wieder herzlich eingeladen, sich an dieser Tagung zu beteiligen.


Bitte senden Sie Abstracts (eine A4-Seite) bis zum 30.11.2015 an Christian Klager (christian.klager (at) uni-rostock.de) und Mario Donick (md1.hro (at) gmail.com). Sie erhalten bis zum 15.12.2015 eine Rückmeldung. Die Tagung selbst findet vom 13.-14.08.2016 im Internationalen Begegnungszentrum der Universität Rostock statt.

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